Ahlhorn, 18. Mai 2018 - Sucht ist eine Krankheit, erklärte Chefarzt Gunter Burgemeister vor 90 Fachleuten in der Dietrich-Bonhoeffer-Klinik. Suchtstoffe führen zu Veränderungen im Gehirn und an den Nervenzellen der Patienten. Das Gehirn passt sich auf der zellulärer Ebene an die Zufuhr von Alkohol und Drogen an. Das führt zur deutlichen Veränderungen im Denken, Fühlen und Handeln bei den Patienten. Schon nach zweiwöchigem Gebrauch lassen sich die zerstörerischen Auswirkungen von Drogen in Tierversuchen nachweisen, warnt Burgemeister. Das Netz der Nervenzellen verändert sich so stark, dass es sich selbst nach sieben Jahren Abstinenz nur teilweise regeneriert hat.
Sucht ist eine erworbene neurochemische Gehirnkrankheit. Jeder kann sie durch die Wirkung von Suchtmitteln erwerben. Suchtverhalten werde in Regionen des Gehirns gespeichert, die Automatismen wie Laufen, Auto fahren und Tanzen vorbehalten sind. Dort ist es der willentlichen Veränderung durch den Patienten entzogen. Deswegen, so Burgemeister, dauert eine Therapie verhältnismäßig lang.
Wie lässt sich die psychische Gesundheit für Suchtkranke zurückbringen und welche Aspekte tragen zum körperlichen Wohlbefinden bei, fragte Hauptreferent Prof. Dr. Michael Klein. Ihm ist aufgefallen, dass Suchterkrankungen wie andere psychische Erkrankungen häufig in Familien weitergegeben werden. Kinder aus solchen Familien haben ein deutlich erhöhtes Gefährdungspotential, selbst eine Suchterkrankung zu entwickeln. Nur ein Viertel der Kinder bleiben psychisch gesund, warnt der Psychologe und Psychotherapeut. Diese Kinder haben die Fähigkeit entwickelt, Krisen zu bewältigen oder sogar für die persönliche Weiterentwicklung zu nutzen.
Ein positiver Blick auf sich selbst hilft dabei. Bei Kindern braucht es mindestens eine Person, die das Kind liebend annimmt und sich sorgt. Bei älteren können auch Tiere wie ein treuer Hund diese Funktion übernehmen. Suchtkranke, so die Beobachtung Prof. Kleins, hatten oft eine andere Kindheit als normal.
Viele Beziehungen zu anderen gesunden Menschen schützen Gefährdete. Eigeninitiative zum Beispiel zu sportlichen Aktivitäten stärken das Selbstwertgefühl. Die Fähigkeit, kreativ mit Stress umzugehen und sich zu distanzieren, hilft gesund zu bleiben. Humor, Ironie und Selbstwitz tragen zur Bewältigung und Verarbeitung schwieriger Situationen bei. Die Entwicklung eines von den Kranken unabhängiges Wertesystems hilft dem Individuum, sich zu behaupten.
In Familien wirken die richtige Dosis Empathie (Einfühlungsvermögen) und ein realistisch optimistische Grundhaltung vorbeugend. Auch eine gute innerfamiliäre Kommunikation, Rituale und Organisationsmuster scheinen die Mitglieder stark zu machen. Letztlich trägt auch ein gemeinsames Glaubenssystem dazu bei.