Bockhorn, 22.11.2019 – „Das hätten auch wir sein können.“ Dieser Satz machte den Schülerinnen der Carlo-Collodi-Schule aus Linswege nach ihrem Besuch der Gedenkstätte in Wehnen ganz schön zu schaffen. Denn hätten die Schülerinnen nicht heute sondern vor 80 Jahren gelebt – sie wären während des Nationalsozialismus möglicherweise zwangsweise sterilisiert worden. Die Schule in Linswege ist eine Förderschule mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung.
„Das hat unsere Mädchen sehr beschäftigt“, erinnert sich Nicole Cramer an den Besuch in Wehnen. Sie ist Pädagogin an der Carlo-Collodi-Schule. Gemeinsam mit Oliver Hoepe, Lehrer an der Carlo-Collodi-Schule, hat sie sie sich im Unterricht mit dem Thema Nationalsozialismus beschäftigt. „Wehnen war einer von mehreren Erinnerungsorten in der Region, die wir besucht haben“, sagt Hoepe. Mit diesen Besuchen wollte er das Thema für die Schülerinnen greifbarer machen. Und das gelang inzwischen mit mehreren Abschlussklassen.
„Der Besuch in Wehnen war für mich erschreckend und erschütternd“, erzählt die 16-jährige Chiara. Genau wie ihre Mitschülerinnen hat auch sie sich nach dem Besuch intensiv mit dem Thema beschäftigt. Die Schülerinnen erarbeiteten verschiedene Projekte zum Gedenken an die Opfer der Krankenmorde und die Opfer der Zwangssterilisationen. Zwei Projekte konnten die Schüler inzwischen abschließen. Ein Fotoprojekt und eine Kiste mit kleinen (Grab-)Steinen für die Opfer. Sie sind derzeit im Foyer der Jugendhilfe Collstede, dem Träger der Carlo-Collodi-Schule, aufgebaut. „Bis Januar sind die Projekte noch hier zu sehen, anschließend werden sie in weiteren Einrichtungen der Jugendhilfe gezeigt“, sagt Jan Prassel, Leiter der Jugendhilfe Collstede.
„Wir wollen an die Opfer erinnern“, sagt die 18-jährige Luca. Sie hatte die Idee zu der Kiste mit den Steinen. Sie sollen zeigen, wie viele Menschen in Wehnen Opfer der Krankenmorde durch die Nationalsozialisten wurden. Auf einem digitalen Bildschirm laufen dazu die Vornamen der Opfer. Mit deren Schicksalen haben sich die Mädchen intensiv auseinandergesetzt. Dazu gingen Sie auch ins Staatsarchiv, um die Originalakten zu sehen. Vorbereitet wurden sie darauf nicht nur von ihrem Lehrer sondern auch von Ingo Harms vom Gedenkkreis Wehnen.
Für ihr Fotoprojekt stellten sich die Mädchen und ihre Lehrer selbst vor die Kamera. „Wir wollten den Opfern unser Gesicht geben, um auf ihr Leid aufmerksam zu machen“, erläutern die Schülerinnen. Unter den Bildern ist mit Schreibmaschine geschrieben zu lesen, warum auch sie damals Opfer der Zwangssterilisation geworden wären. Die Optik soll bewusst an die Krankenakten der damaligen Zeit erinnern.
Die Arbeit der Schülerinnen geht aber noch weiter. Derzeit arbeiten sie gemeinsam mit Oliver Hoepe und Nicole Cramer an einem Geocaching-Projekt. Die auf Satellitennavigation gestützte „Schnitzeljagd“ beginnt am ehemaligen Peter Friedrich Ludwigs Hospital (PFL) in der Peterstraße und führt über viele geschichtsträchtige Stationen nach Wehnen.