Ahlhorn, 23.1.2018 - In der öffentlichen Debatte um die Legalisierung von Cannabis werden die Folgen des Konsums häufig verharmlost. Das stört den Chefarzt der Dietrich Bonhoeffer Klinik, Gunter Burgemeister. In der Diakonie-Klinik in Ahlhorn werden Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 25 Jahren behandelt, die süchtig sind. „Cannabis ist bei unseren Patienten, wie auch in der Gesamtbevölkerung, die am meisten vorkommende illegale Droge“, berichtet Burgemeister. Er wünscht sich eine sachliche Diskussion über die Risiken von Cannabis und verstärkte Forschung zu Risiken und Suchtbehandlung.
„In den vergangenen Jahren ist der Anstieg bei der Behandlung von Cannabis-Sucht größer, als der Anstieg beim Konsum“, weiß Burgemeister. Das bedeutet, bei immer mehr Menschen führt der Konsum von Cannabis auch zu einer Sucht. Die Zunahme beim Konsum sieht er auch in der Bagatellisierung von Cannabis begründet. Dabei kann Cannabiskonsum schwere Folgen haben. „Je früher mit dem Konsum begonnen wird und je mehr Cannabis geraucht wird, desto größer ist das Risiko“, sagt Burgemeister. Neun Prozent der Cannabis-Konsumenten entwickeln eine Abhängigkeit, die behandelt werden muss. Das Risiko für psychische Störungen, wie Depressionen, Angsterkrankungen, vorübergehende Psychosen aber auch Schizophrenie, erhöht sich durch den regelmäßigen Konsum. „Wir behandeln deshalb nicht nur die Sucht, sondern auch die psychischen Störungen.“ Nur so sei ein Therapieerfolg möglich. Und auch wer keine Sucht entwickelt, kann durch das Kiffen Angstsymptome und sogar Psychosen erleben. „Diese können bis zu 14 Tage nach einem Joint auftreten“, sagt Burgemeister. Deshalb würden sie von den Betroffenen oft nicht mit dem Konsum in Verbindung gebracht.
Worauf müssen Eltern achten
Wird Cannabis intensiv konsumiert, kann es zu Persönlichkeitsveränderungen führen. „Auffällig ist vor allem fehlende Freude an den Dingen und Antriebslosigkeit. Die Betroffenen haben kein Interesse mehr an ihren Hobbys. Es kommt zu mit heutiger Methodik nachweisbaren Veränderungen im Gehirn, die u.a. auch zu Beeinträchtigungen der Gedächtnisfunktion führen. Die Eltern und Angehörigen bemerken, dass die Jugendlichen ihren vertrauten und förderlichen Freundeskreis verlassen, sich in Stimmung und Verhalten verändern, zunehmend gereizt oder abweisend auf ihre Umgebung reagieren. Schließlich kommt es oft zu schlechteren Schulnoten oder Problemen am Arbeitsplatz. Die soziale Integration wird gefährdet. Studien zeigen, dass schulischer und beruflicher Erfolg bei Menschen mit Cannabiskonsumstörungen deutlich leiden. Wenn Eltern oder Angehörige solche Verhaltensänderungen bemerken, sollten sie sich Rat von außen suchen, rät Burgemeister. Er betont aber auch: „Eltern sollten auf den ersten Joint möglichst gelassen reagieren, um die enge Bindung nicht zu gefährden.“ Nur, wenn man nah am Kind dran bleibe, könne man bemerken, wann ein missbräuchlicher Konsum beginne. Und: „Natürlich solle man sachlich über die Risiken aufklären, auch wenn das im ersten Moment nicht auf fruchtbaren Boden fällt.“
Für schädlich bei der Therapie, gerade von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, hält Burgemeister die Kriminalisierung von Cannabis: „Es verändert die Persönlichkeit, wenn man als außerhalb der Gesellschaft stehend behandelt wird.“ Und durch die Kriminalisierung kämen gerade junge Konsumenten in Kontakt mit kriminellen Milieus. Teilweise werden sie selbst zu Dealern, um die Kosten für ihren Konsum zu finanzieren. Zur Einordnung findet Burgemeister auch den Vergleich mit dem Alkoholkonsum wichtig: „Eine direkte tödliche Wirkung gibt es bei Cannabis im Gegensatz zum Alkohol nicht. Doch dessen Konsum ist völlig legal.“ Nachgewiesene Todesfälle gibt es derzeit nur im Bezug auf synthetisch hergestellten Cannabinoide, Spice oder sogenannte Badesalze. Diese enthalten dem THC (Tetrahydrocannabinol ist der Wirkstoff im Cannabis) entsprechende Wirkstoffe mit oft hohem Wirkstoffgehalt und deutlich stärkerer und somit unkalkulierbarer pharmakologischer Wirksamkeit, das macht sie für den Konsumenten gefährlicher.
Bei allen Argumenten für die Legalisierung, eines darf für Burgemeister nicht passieren: „Ein 11-Jähriger sollte keinen Zugang zu einem Joint haben.“ Und er ergänzt, die Aufklärung über die Risiken von Cannabis muss verstärkt werden.
Info: Die Dietrich Bonhoeffer Klinik ist eineFachklinik mit 48 Betten. Die Klinik hat sich auf die Entwöhnungsbehandlung abhängigkeitskranker Jugendlicher und junger Erwachsener im Alter von 14 bis 25 Jahren spezialisiert. Die Dietrich Bonhoeffer Klinik arbeitet mit einem erfahrenen Team aus Ärztinnen, Psychologen, Sozialarbeitern, Ergo-, Sporttherapeuten, Erziehern, Krankenpflegepersonal und Physiotherapeuten. Die Klinik nimmt Patientinnen und Patienten aus dem ganzen Bundesgebiet auf. Ein besonderes Angebot der Dietrich Bonhoeffer Klinik ist die pädagogische Betreuung und die Behandlung von Patienten mit "Doppeldiagnose" (z.B. "Psychose und Sucht"). Die Klinik ist nach §35/36 BtMG anerkannt.
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