Delmenhorst 15. Aug. 2019 – Scham ist ein Gefühl der Verlegenheit. Es kann so stark werden, dass es die Persönlichkeit massiv beeinträchtigt, berichtete der Sozialwissenschaftler Dr. Stephan Marks. Obwohl das peinigende Gefühl der Scham zu Gewalt gegen sich und andere führen kann, werde ihr Einfluss auf die Handlungen von Menschen noch zu gering bewertet, sagte der Marks bei einem Fachtag der Diakonie in der Delmenhorster Markthalle.
In der Sozialen Arbeit müssten die verschiedenen Berufsgruppen Scham mehr beachten. Besonders gut sei, wenn es gelänge Schamerfahrungen für kreativen Aktivitäten zu nutzen. Das Gefühl der Scham dürfe nicht ignoriert werden. Denn Scham kann in jeder zwischenmenschlichen Begegnung akut werden warnte Marks. Daher sei es für alle, die mit Menschen arbeiten, wichtig Scham zu erkennen, zu verstehen und kompetent mit ihr umzugehen. Weil das Gefühl der Scham zu peinigend sei, versuchten Betroffene vieles, um dem Gefühl nicht ausgesetzt zu sein. Manche versuchen, Scham mit Wut, Trotz und Gewalt abzuwehren. Andere versuchten es durch Arroganz oder Anpassung und emotionalen Rückzug. Auch Sucht könne als ein Versuch zur Betäubung von Scham bedeutet werden.
Scham sei ein Seismograph, der sensibel registriere, wenn die Würde des Menschen und seine Grundbedürfnisse nach Anerkennung, Schutz, Integrität und Zugehörigkeit verletzt werden. Dieser Seismograph reagiere auch, wenn man Zeuge einer Verletzung der Würde werde.
Auf die hohe gesellschaftspolitische Bedeutung des Schamgefühls war der Historiker Marks im Zusammenhang mit Studien über den Nationalsozialismus aufmerksam geworden, als er nach Antworten dafür suchte, warum Menschen sich für den Nationalsozialismus entschieden hatten. Auffällig häufig hatten die Interviewten von Schamerfahrungen berichtet.